
Healing Architecture: Inspiration aus Stavanger
Wenn zwei große Architekturbüros ihre fachliche Expertise, ihr Talent für Präzision und ihr Gespür für die Anforderungen an eine Klinik für die Zukunft bündeln, entstehen Wohlfühlorte für Menschen.
Beim Neubau der Medizinischen Hochschule Hannover ziehen C.F. Møller Architects aus Århus, Dänemark und HENN aus Berlin an einem Strang. Die beiden Architekturbüros verfügen über jahrzehntelange Erfahrung im Healthcare Design, konzeptionieren seit Jahrzehnten erfolgreich gemeinsam in internationalen Projekten und sind es gewohnt, kontinuierlich über den Tellerrand zu schauen und progressiv zu denken.
Anfang Juni 2025 hat sich nun ein interdisziplinäres Team rund um Maibritt Dammann, Architektin und Head of Healthcare und Partnerin bei C.F. Møller Architects, und Tom Banemann, Architekt und Partner bei HENN sowie der HBG auf den Weg nach Stavanger gemacht, um einen Blick hinter die Kulissen des neuen Stavanger University Hospitals werfen zu können. Über den Input aus Skandinavien, überholte Denkmuster und die Notwendigkeit, Healthcare neu zu verstehen und umzusetzen.
Der Besuch in Stavanger erstreckte sich über einen Tag, der vor Ort effizient und intensiv genutzt wurde. Der am Bau beteiligte Architekt Florian Wagnerberger gab einen Überblick zum Überbau der Projektgeschichte, den Standards und der Systematik des Hauses. Was daran anschloss, wurde ein intensiver Nachmittag, verbunden mit einer enormen Wegstrecke durch das gesamte Klinikum. Besichtigt wurde alles – von der Logistik bis hin zum OP-Saal, den Pflegebereichen und den Patientenbädern. Nichts wurde ausgelassen, um einen umfassenden Eindruck dessen erhalten zu können, was die Fortschrittlichkeit dieses Neubaus ausmacht. Der fachliche Austausch wurde in den Abend ausgeweitet, Kontakte intensiviert, der Wissenstransfer gefördert.
Für das verantwortliche Team aus Hannover eignete sich dieser Zeitpunkt für den Besuch hervorragend, da man sich hier gerade in der Bearbeitung der Vorplanung, also noch in einem sehr frühen Stadium der Projektbearbeitung befand. Auch im Nachgang zeigten sich die Teilnehmenden begeistert und betrachteten den Besuch zudem als hervorragendes Teambuilding-Element, das die zukünftige Zusammenarbeit am Neubau der MHH vereinfacht, da es leichter geworden ist, über Herausforderungen zu sprechen, wenn man sich etwas privater kennt und die zwischenmenschliche Ebene stimmiger geworden ist.
“Es geht auch darum, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man gerne arbeitet, damit die Klinik nicht als ein Ort verstanden wird, wo man eine Schwelle übertritt und plötzlich sieht es komisch aus und riecht nach Krankenhaus.”
Healthcare für den Menschen
Das Klinikum in Stavanger beeindruckt auf den ersten Blick durch ein übergeordnetes Designkonzept. So sind alle Gebäude auf dem Krankenhauscampus durch eine Ringmagistrale miteinander verbunden. In ihrer Mitte wurde ein grüner Platz angelegt, mit dem man mit Feingefühl und einem sehr menschlichen Maßstab eine harmonische Atmosphäre geschaffen hat. Das Klinikum wurde in den Alltag der Einwohner Stavangers integriert. Kein Ort ausschließlich für kranke Menschen irgendwo am Rande, sondern ein fester Bestandteil des Stadtbildes, eingebettet in das Leben.
Denn es geht bei Gesundheitsbauten nicht ausschließlich um fachliche Expertise und hochinstallierte Funktions- und Organisationsabläufe, sondern es geht in gleichem Maße darum, Atmosphären zu schaffen, in denen Menschen gerne arbeiten und in denen kranke Menschen schneller gesunden können.
Das ist wesentlich. Klinik weiterzudenken. Mit Gebäuden, die Wärme und Menschlichkeit ausstrahlen und in denen man sich gerne aufhält - als Mitarbeiter, als Gast, als Besucher und natürlich zuallererst als Patient.
University Hospital Stavanger – ein Projekt mit Strahlkraft
Der Neubau des University Hospitals in Stavanger ist seit Jahren ein großes Thema im internationalen Healthcare-Bereich und wird entsprechend aufmerksam verfolgt. Einer der verantwortlichen Architekten - Florian Wagnerberger vom Nordic Office of Architecture – ist bereits seit Jahren mit Vorträgen zu diesem Großprojekt auf Konferenzen vertreten und ein enger Kontakt des Architektenteams der neuen Medizinischen Hochschule Hannover.
Das Projekt in Norwegen ist eines der fortschrittlichsten und modernsten aktuellen Krankenhausprojekte in Europa und viele Faktoren sind auch für die Entwicklung und Planung des Neubaus der MHH von Bedeutung – zum Beispiel die innovative Planung oder die nachhaltige Bauweise. Stavanger ist ein Referenzprojekt mit Leuchtturmcharakter.
Zukunftsfähiges Healthcare Design
Beim Bau des University Hospitals in Stavanger wurde eine modulare Bauweise fokussiert. Die vorgefertigten Bauelemente sind größtmöglich standardisiert und schaffen so flexible Anpassungsmöglichkeiten für zukünftige Anforderungen. Um ein noch höheres Maß an Flexibilität zu schaffen, wurden alle technischen Installationen außerhalb der Wände platziert und nicht in der Wand. Auf diese Weise wird es einfacher, Wände an neue Gegebenheiten und Erfordernisse anzupassen. Die Zukunft wurde also in vielen Bereichen bereits mitgeplant. Das Interieur – zum Beispiel für die Patientenzimmer - ist ebenfalls standardisiert. Hier werden vorgefertigte Kits angeliefert und eines je Patientenzimmer entpackt, aufgebaut und installiert.
Neben der stark modularen Bauweise wurde bei Planung und Umsetzung Wert auf eine größtmögliche Automatisierung gelegt und die entsprechenden Systeme installiert. So wird der künftige Klinikalltag in Stavanger durch fahrerlose Transportsysteme, den Einsatz von Robotik im Materialtransport, Bettenpaternoster, vertikale Lagereinheiten oder eine vollautomatische Müllabsaugung in weiten Bereichen unterstützt. Dies erleichtert nicht nur unzählige Arbeitsabläufe im Klinikum, sondern gewährleistet zudem einen reibungsloseren Ablauf. Die Systeme können problemlos die ganze Nacht hindurch laufen, erleichtern den alltäglichen Betrieb und schaffen mehr Planbarkeit, da morgens alles zuverlässig bereit für den neuen Tag ist. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Fachkräftemangel hat man in Stavanger deutlich zur Kenntnis genommen, dass der Krankenhausbetrieb ohne umfassende Automatisierung zukünftig nicht mehr zu gewährleisten sein wird.
Parallelen zwischen der MHH und dem Klinikum in Stavanger
Beim Neubau der MHH wird ebenfalls mit Modularität gearbeitet – hierfür ist mit dem Klinikum in Stavanger eine hervorragende Referenz geschaffen worden. Zudem steht es außer Frage, dass automatische Systeme eine hohe Relevanz haben. Die Umsetzung ist zum einen aufgrund des festen Budgetrahmens in Hannover schwieriger, denn diesen gilt es einzuhalten. Zudem sind einige Systeme aus Norwegen in Deutschland nicht umsetzbar. Norwegen ist kein Mitglied der Europäischen Union und von daher nicht an europäische Normen gebunden, was Umsetzung und Ausführung betrifft. Einiges wäre in dieser Form in Deutschland schlichtweg nicht genehmigungsfähig. Für das Planungsteam liegt die Lösung darin, zu bewerten, was umsetzbar ist und welche Systeme der MHH in Zukunft den größten Mehrwert bringen. Denn auch wenn nicht alles übernommen werden kann, ist vieles möglich.

Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft der MHH, Maibritt Dammann?
"Mir gefällt, dass es in Kombination mit einer der Genesung unterstützenden Architektur dann ein sehr schönes Krankenhaus für Patienten, Angehörige und Personal wird. Hinzu kommt die Einbindung in die Natur und auch, dass die MHH in den angrenzenden Umgebungen für die Nachbarschaft ein sehr wichtiger Spieler wird. Das hier wird nicht nur ein Krankenhaus – es wird auch ein grüner Campus, der von der Umgebung genutzt werden kann.
Ja, ein Generator für weiteres Leben in der ganzen Nachbarschaft, das wäre schön."

Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft der MHH, Tom Banemann?
Das Ziel ist es tatsächlich, dass es eben kein Closed Shop mehr sein soll, wie es früher bei Krankenhausorten der Fall war. Sondern dass es ein durchlässiger Stadtbaustein ist, der zwar Krankenhaus heißt, aber eben nicht abgeschlossen ist.
Ein Ort, wo auch gesunde Menschen gerne hingehen und einen Kaffee trinken oder sich auf den schönen Platz setzen.