Genehmigungsverfahren Krankenhaus-Neubau: ein Bauantrag in XXL

Ob neu gebaut, baulich verändert oder abgerissen – wer sich bereits den Traum vom Eigenheim erfüllt hat, weiß: Ohne einen Bauantrag kein Baustart. Doch bevor die Baugenehmigung erteilt wird, können einige Monate vergehen. Was aber, wenn es sich bei dem Neubau nicht um das private Häuschen mit 150 qm Wohnfläche handelt, sondern um ein Gebäude mit einer Nutzfläche von rund 51.000 qm – auf denen sensible, medizinische Bereiche wie Intensivstationen, OP-Säle und eine Notaufnahme entstehen sollen? 

Der Bau eines Krankenhauses, wie das des künftigen Universitätsklinikums Göttingen, ist eine komplexe Planungs- und Bauaufgabe. „In dem Prozess müssen wir eine Vielzahl von Themen und Anforderungen im Blick behalten“, sagt Stefanie Sievert, die bei der Baugesellschaft der UMG das Genehmigungsverfahren mitverantwortet. „Um die Genehmigungsfähigkeit sicherzustellen, ist es bei der Größe des Bauvorhabens unumgänglich, bereits frühzeitig die entsprechenden Ämter mit einzubinden.“ 

Vielzahl an Behörden und Institutionen: von Infektionsschutz bis Bergrecht

Der erste Kontakt mit der Stadt Göttingen erfolgte früh, im September 2021, noch vor der Freigabe der Planungsmittel für das sogenannte Eine-Milliarde-Konzept. In den konkreten und kontinuierlichen Austausch mit den Genehmigungsbehörden sind die BauG-Planer:innen ab Ende 2022 gegangen – nach der Erarbeitung eines ersten Planungsansatzes. „Ziel war und ist eine effiziente Planungs- und Genehmigungsphase“, so Sievert. 

Im Laufe der vergangenen Monate haben Stefanie Sievert und ihre Kolleg:innen eine Reihe von Anforderungen zu beachten, die mit Akteur:innen aus unterschiedlichsten Bereichen bewertet, beurteilt und abgestimmt werden mussten. Mehr als 50 Architekt:innen, Ingenieur:innen und Techniker:innen arbeiten gemeinsam mit Beteiligten unterschiedlichster Fachabteilungen an einem Bauantrag. Bei der Anzahl an Behörden und Institutionen, die in den Genehmigungsprozess einzubinden sind, kommt Sievert auf ca. 25 – vom Brand-, Arbeits-, Lärm-, Umwelt-, Gesundheits- oder Infektionsschutz bis zu medizinischen Zertifizierern. Um nur einige Beispiele zu nennen. Sogar das Landesamt für Bergbau musste involviert werden – aufgrund der Erdbohrungen, die wegen des geplanten Einsatzes einer Geothermieanlage zur Wärmeversorgung durchgeführt werden müssen. „Unser Antrag wird eine Anzahl von Aktenordnern im mittleren zweistelligen Bereich, mit Plänen, Dokumenten und Tabellen umfassen“, so Sievert. 

Während Außenstehende bei der Vielzahl an parallellaufenden Prozessen und eng getakteten Zeitabläufen schon einmal den Überblick verlieren können, bezeichnet die Bauingenieurin den Projektverlauf als gut strukturiert: „Eine Liste brauchen wir nicht. Wenn man bereits mehrere Bauanträge begleitet hat, ist es ein Standardprozess.“ Auch wenn der Klinik-Neubau vom Umfang, der Bauweise und der Umsetzung für sie etwas Besonderes ist, kann sie auf ihren Erfahrungsschatz aus anderen Projekten zurückgreifen. „Man weiß, dass man es bei einem solchen Prozess mit sehr vielen Genehmigungsbehörden zu tun hat und die behördlichen Mühlen manchmal langsamer laufen“, schmunzelt sie. Sievert betont: „Die Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitenden der Stadt und anderer Institutionen ist während des Prüfverfahrens intensiv, aber immer konstruktiv und lösungsorientiert.“ Man stünde in einem stetigen Dialog. 

Deutschlandweit einmalig: OP-Säle im Hochhaus integriert

Bei diesem Projekt wussten alle Beteiligten von vornherein, dass man auf dem vorhandenen Areal baut – und dass es entsprechende Baugrenzen gibt. „Es war klar, dass wir vorgegebene Abstandsflächen nicht immer einhalten können. Umso wichtiger ist, sich frühzeitig dazu abzustimmen, damit die entsprechenden Befreiungen im Rahmen des Bauantrags eingeholt werden können“, unterstreicht die Bauingenieurin. Dass das Gebäude durch die baurechtlichen Vorgaben nicht mehr in die Breite, sondern nur in die Höhe wachsen kann, bringt zudem eine deutschlandweit einmalige Besonderheit unter den Krankenhausbauten: ein innerhalb eines Hochhauses integrierter OP-Bereich. Sievert: „Meistens sind nur die Bettentrakte in einem hochgeschossigen Krankenhaus eingebunden, die OP-Säle sind über Nebengebäude angeschlossen. Unsere Lösung stellt eine weitere Anforderung dar, insbesondere was den Brandschutz angeht.“ Eine bauliche Herausforderung, die sich im Klinikalltag für die Patient:innen und Mitarbeitenden aber positiv auswirken wird: „Dadurch haben wir vom Landeplatz für den Rettungshubschrauber auf dem Dach bis runter zur Notaufnahme und den OP-Sälen extrem kurze Wege.“ Im Notfall kann jede Minute zählen, dafür nehme man diese planerische Hürde gerne in Kauf. 

„Die Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitenden der Stadt Göttingen und anderer Institutionen ist während des Prüfverfahrens intensiv, aber immer konstruktiv und lösungsorientiert.“

Stefanie Sievert – Projektleiterin UMG

Alles im Zeitplan – Krankenhaus-Hochbauarbeiten starten voraussichtlich 2025

„Von der Vorplanung zur Entwurfsplanung detaillieren wir immer weiter, um diese Phase dann auch eins zu eins in die Genehmigungsplanung überführen zu können.“ Zeitlich sei man sehr limitiert, jeder Monat koste auf Grund des Baukostenindexes bares Geld. Um die Bauzeit zu beschleunigen, habe man unter anderem im Juni 2024 einen vorgezogenen Teilbauantrag für die Baugrube gestellt – im Januar 2025 kann dadurch mit den Erdarbeiten begonnen werden. Auch hier mussten im Vorfeld bestimmte Risikofaktoren, wie mögliche Bombenfunde aus dem Zweiten Weltkrieg im Erdreich, ausgeschlossen werden. Sievert zeigt sich mit dem Verlauf des Genehmigungsverfahrens zufrieden: „Wir sind im Zeitplan. Den endgültigen Bauantrag wollen wir im Oktober 2024 einreichen. Wir erwarten im Anschluss die Genehmigung im Mai 2025.“ Danach können die Hochbauarbeiten für den Neubau der UMG starten – und eine voraussichtliche Fertigstellung der ersten Baustufe des Klinikums schon im Jahr 2029 anvisiert werden.

Braunhaarige Frau steht am Schreibtisch und lächelt in Kamera

Stefanie Sievert stellt sich vor

In Kassel Bauingenieurwesen studiert, hat Stefanie Sievert bereits vor ihrem Einstieg bei der UMG berufliche Verbindungen nach Göttingen gehabt. Als Angestellte in mittelständischen Architektur- und Ingenieurbüros begleite sie bereits zahlreiche Bauprojekte rund um die Universität Göttingen. „2015 bin ich erst zur UMG und dann mit Gründung der BauG 2021 zur BauG gewechselt, weil sich der Neubau des Uniklinikums sehr spannend angehört hat – die Kombination aus großem Bauvorhaben und medizinischem Hintergrund finde ich sehr reizvoll. Es ist größer als alles, was ich bisher gemacht habe.“