
Transparentes Vergabeverfahren:
Punkt für Punkt die passenden Planer und Gewerke finden.
Erst wird das Projekt vorbereitet, in dem die Bauherren unter anderem darüber entscheiden, welche Bedarfe und Anforderungen erfüllt werden müssen. Dann wird die Finanzierung bewilligt und auf solide Füße gestellt – und im nächsten Schritt mit der Planung und Umsetzung begonnen: Prinzipiell ist bei dem Neubau der Krankenhäuser der MHH und UMG die Projektabfolge ähnlich gelagert wie bei einem Hausbau. Allerdings wesentlich komplexer und zeitaufwendiger: Denn in den von Öffentlichen Auftraggebern finanzierten Bauprojekten, die ein bestimmtes Investitionsvolumen übersteigen, stecken eine Vielzahl von Richtlinien, die eingehalten werden müssen. Für die vom Land Niedersachsen finanzierten Unikliniken gilt dies im weiteren Bauverlauf insbesondere für die Vergabe von Aufträgen an Planungsbüros und Gewerke.
Spielregeln für die Vergabe von Leistungen
„Das Vergabeverfahren unterliegt dem Grundsatz der Transparenz. Um diese sicherzustellen, muss das gesamte Verfahren nachvollziehbar und vollständig dokumentiert werden“, erklärt Bastian Haverland. Der 47-Jährige ist Fachanwalt für Vergabe- und Baurecht und steuert im juristischen Projektmanagement in der Kanzlei Leinemann Partner die Vergabeverfahren für die Neubauten der HBG und BauG UMG. Auftraggeberinnen des Hamburger Büros sind die beiden Baugesellschaften die die Bauprojekte planen, koordinieren und vor Ort jeweils umsetzen. „Wir dürfen vergabe- als auch vertragsrechtlich beraten“, so Haverland.
Die Verfahren sind mit vielen Abstimmungen und einem hohen Aufwand verbunden. Grundsätzlich geht es darum, die zu vergebenen Leistungen in zwei Stufen einzuteilen: Als erstes müssen die richtigen Planer für die Neubauten der Krankenhäuser gefunden werden. In einem zweiten Schritt werden die Bauunternehmen und Gewerke gesucht, die diese Planungen umsetzen. „Dafür gibt es Spielregeln, die vergaberechtlich europaweit ab bestimmten Auftragswerten gelten und die wir bei diesen Projekten deutlich überschritten haben“, sagt der Fachanwalt.
„Bei der Vergabe von Leistungen haben wir EU-weite Spielregeln einzuhalten – Transparenz ist dabei unser oberster Grundsatz.“
Anfang 2024: Start des Vergabeverfahrens für die MHH
- Rund 20 Planungsbüros für diverse Leistungen werden für den Neubau der MHH gesucht.
Im Fall der MHH hat sein Team gemeinsam mit der zuständigen Baugesellschaft HBG und der BOS Projektmanagement GmbH Anfang des Jahres ein Vergabekonzept entwickelt, das den strengen EU-Richtlinien für ein solches Bauvorhaben folgt. Darin werden unter anderem geforderte Leistungen beschrieben, die zum Beispiel für die Objektplaner, für die Beratungsleistenden rund um den Schallschutz oder die Brandschutzplaner gelten sollen. Bewertet wird nach einer Punktetabelle – je besser die bewerbenden Unternehmen die Leistungskriterien erfüllen, desto mehr Punkte sammeln sie. Am Ende erhält der jeweilige Planer den Zuschlag, der auf Basis der Aufgabenstellung und dem eingereichten Lösungsvorschlag die meisten Punkte stehen hat. Hierzu gehören auch preisliche Kriterien. Haverland: „Wir führen das Vergaberecht europaweit durch, ein Portal beim EU-Amtsblatt mit Verträgen, Teilnahmebedingungen oder Angebotskennzahlen ist allen interessierten Dienstleistern und Unternehmen öffentlich zugänglich.“
Gesucht werden auf diese Weise rund 20 Unternehmen für diverse Planungsleistungen, von Architektur- über Ingenieurbüros bis zu Sachverständigen. Würden alle digitalisierten Unterlagen innerhalb dieses Verfahrens ausgedruckt werden, könne man damit eine komplettes Wandregal nur mit Akten füllen, gibt Haverland ein grobes Bild wieder, was hinter einem solchen Dokumentenberg steckt. „Die Leistungsbeschreibung, die beispielsweise nur ein Planer erfüllen muss, kommt schnell auf mehr als 100 Seiten.“
Bewerber müssen im Vorfeld Aufgaben erfüllen
Die Dimensionen der beiden Neubauten bezeichnet Haverland als sehr groß, sein Team von Leinemann Partner u.a. mit Andreas Rosenauer und Kai Linnemannstöns sowie Anika Sanders habe aber viel Expertise auf dem Gebiet der Vergabe solcher Projekte. Umfangreicher als üblich ist für den erfahrenen Fachanwalt die Art und Weise, um die passenden Planungsbüros zu finden:
Als Teil des Vergabeverfahrens bei der MHH müssen Bewerber:innen in ihren Fachgebieten über mehrere Monate konkrete Aufgaben erfüllen und Lösungen entwickeln, die für den weiteren Verlauf des Projektes wichtig sind – zum Beispiel im Städtebau, zu den Klimaschutzzielen, zur Wegeführung, zu Kosten oder Materialien. „Auf diese Weise suchen wir insbesondere bei den Objektplanern nicht nur jemanden, der auf dem Papier alles kann und macht.“ Auch diese Leistungen fließen mit ins Wertungssystem ein, das im Vorfeld transparent mitgeteilt worden ist. „Der Planer, der den Zuschlag bekommt, hat dann bereits einen ersten konzeptionellen Teil seiner eigentlichen Aufgabe erfüllt, wenn er mit der Arbeit beginnt“, stellt Haverland den Vorteil dar.
Die Hauptplaner werden im Laufe des 1. Quartals 2025 gefunden sein, schätzt er. Die Planungen selbst können anschließend unmittelbar starten. Er rechnet damit, dass die Planungsphase rund zwei Jahre in Anspruch nehmen wird.
Nach der Planung folgt der Bau
„Erst nach dem Ende der Planungen können wir mit der Vergabe für die Bauleistungen starten“, erklärt Haverland Stufe zwei des Verfahrens, „wir müssen wissen, was gebaut wird, damit wir uns auf die Suche machen können, wer es baut.“ Bei einem solchen Bau würden sicherlich 70 bis 80 einzelne Gewerke eine Rolle spielen können. Dabei befinden sich die Entscheider in einem Spannungsfeld: Vergaberechtlich müssen von den aus Steuergeldern eingesetzten Finanzmitteln möglichst viele Unternehmen partizipieren. „Das widerspricht etwas der Philosophie für so ein umfangreiches Bauprojekt, wie das der MHH, möglichst wenig Schnittstellen zu schaffen“, gibt Haverland zu bedenken. Er bezeichnet die Suche nach einer Lösung zwischen Einzelvergaben und der Vergabe an Generalunternehmen für zum Beispiel den Rohbau oder den weiteren Innenausbau als spannend: „Das wird noch ein großer Komplex innerhalb der Bauausschreibung“, blickt er voraus.
Letztendlich sei man aber auch hier an rechtliche Vorgaben gebunden. „Ich bin überzeugt, dass wir auch die Vergabe der Bauleistungen transparent und im Sinne aller Beteiligten gemeinsam darstellen und umsetzen werden.“ Dann könne man für den MHH-Neubau mit den großen Gewerken starten, so wie man es auch beim Hausbau kennt: vom Keller nach oben.

Bastian Haverland stellt sich vor
Der 47-jährige Fachanwalt für Vergabe-, Bau- und Architektenrecht ist seit 19 Jahren Anwalt; mittlerweile Partner und Gesellschafter von Leinemann Partner in Hamburg. Die deutschlandweit agierende Wirtschaftskanzlei mit Standorten unter anderem in Hamburg, Düsseldorf, Köln, Frankfurt und Berlin ist auf die drei Kernbereiche Bauen, öffentliche Auftragsvergabe und Immobilien spezialisiert. „Das Schöne am Vergaberecht ist die Bandbreite“, erklärt Bastian Haverland, was ihm an seiner Arbeit besonders Spaß macht. Bezogen auf sein Beratungsmandat im Rahmen der Klinik-Neubauten der MHH und UMG ergänzt er: „Ich habe Beschaffungsbereiche vertiefen können, die im juristischen Alltagsgeschäft wenig präsent sind, obwohl ich sehr lange dabei bin.“