
Agile Teams, schnelle Entscheidungen, kurze Finanzwege:
zentrale Steuerung macht bei Klinik-Neubauten Tempo!
Die beiden Klinik-Neubauten der MHH und UMG sind in ihren Dimensionen aktuell die größten in Niedersachsen. Planungen, Genehmigungen, Umsetzung sind komplex – und Erfahrungen anderer Bauprojekte der öffentlichen Hand mit ähnlicher Größenordnung zeigen: Zu viele Köche können auch einen Bau unnötig und kostensteigernd verzögern. Das Land Niedersachsen – als „Bauherr“ und Geldmittelgeber über 2,1 Milliarden Euro – hat sich daher für ein Vorgehen entschieden, das es für öffentliche Bauten für Kommunen, Länder und dem Bund in der Form noch nicht gegeben hat: Die zentrale Steuerung liegt nicht in der Hand von Verwaltungen, sondern wird über eine privatwirtschaftliche Organisationsstruktur verantwortet.
Dafür ist 2019 die Dachgesellschaft Bauvorhaben Hochschulmedizin Niedersachsen, kurz DBHN, gegründet worden. Sie hat die Rechtsform einer GmbH und wird zu 100 Prozent vom Land gehalten. Ihre Aufgabe ist es, die Interessen des Landes wahrzunehmen und insbesondere die verwendeten Finanzmittel für die Bauvorhaben in Hannover und Göttingen zu steuern und zu kontrollieren. Oder einfacher ausgedrückt: Die DBHN ist dafür verantwortlich, dass die für die Bauprojekte genutzten Steuergelder effizient eingesetzt werden – damit es am Ende nicht zu den mittlerweile von anderen Großprojekten bekannten Kostenexplosionen kommt. Innerhalb dieser Struktur stimmt sich das Team der DBHN mit den beiden an den Hochschulklinikstandorten ansässigen, rechtlich- und organisatorisch selbstständigen Baugesellschaften (HBG und BauG UMG) ab – diese planen, koordinieren und setzen vor Ort jeweils die Klinik-Neubauten um.
Straffe Projektstruktur Schlüssel zum Erfolg
„Nach Evaluierung anderer Bauprojekte ist das Land zur Überzeugung gekommen, dass es über die klassischen Strukturen einer Bauverwaltung nicht möglich sein wird, dieses Großprojekt professionell, innerhalb eines zügigen Zeitraums und mit der gehobenen Wirtschaftlichkeit realisieren zu können“, erklärt Burkhard Landré. Der DBHN-Geschäftsführer sieht in der modernen wie effizienten Projektstruktur den Schlüssel für das Gelingen der Vorhaben. „Es gibt eine klare Trennung der Zuständigkeit und wir vermeiden Doppelstrukturen – jede Organisation verantwortet einen Aufgabenbereich und wird entsprechend in die Lage versetzt, die Entscheidung zu fällen“, so Landré. Der 57-Jährige hat in der Vergangenheit in beratender Position Erfahrungen mit ähnlich gelagerten Großprojekten gemacht und betont: „Diese strikte Aufteilung ist nicht immer selbstverständlich im Bereich der öffentlichen Hand. Oft gibt es einen, der entscheidet und die Verantwortung dafür trägt– aber wahnsinnig viele, die mitreden.“
Die Organisationsstruktur bringt weitere Vorteile mit. Das Kernteam mit seinen zehn Mitarbeitenden ist idealtypisch, um das Projekt erfolgreich abzuschließen, erklärt der DBHN-Geschäftsführer: „Wir bieten Arbeitsbedingungen mit Gehaltsstrukturen, die so von der öffentlichen Hand nicht dargestellt werden können.“ Um Fachpersonal zu akquirieren, konnte man am Markt agiler agieren. Innerhalb der Struktur arbeiten kleine, interdisziplinäre Teams mit großer Projekterfahrung und besonderer Methodenkompetenz zusammen. Der Faktor „Zeit“ spiele immer eine übergeordnete Rolle: Alles, was geprüft werden muss, muss innerhalb eines vorab verpflichteten Zeitfensters umgesetzt sein. Landré unterstreicht: „Unser Ziel ist es, mit straffen Bearbeitungs- und Freigabeprozessen schneller zu sein. Wir haben bewiesen, das bereits erreicht zu haben.“
DBHN gibt Vertrauen durch Transparenz zurück
Eine Besonderheit, die in Deutschland einmalig ist, sticht im Bereich der Finanzierung hervor: Bei Bauprojekten der öffentlichen Hand werden für gewöhnlich immer nur phasenweise Gelder über einen begrenzten Zeitkorridor freigegeben. Diese Art der schrittweisen Bewährung von Finanzmitteln kostet nicht nur Zeit und Ressourcen, sondern beschränkt die Handlungsspielräume von Projektverantwortlichen. „Wenn wir dagegen eine erforderliche Maßnahme definiert haben und der Bedarf geprüft und akzeptiert ist, gibt der zuständige Haushalts- und Finanzausschuss die kompletten Mittel über das Sondervermögen für die gesamte Planungs- und Bauausführungsphase über Jahre hinweg frei“, erklärt Landré, „wir haben für die Baugesellschaften somit immer ausreichend Liquidität.“ Von Seiten des Landes sei das nicht nur eine großzügige Haltung, sondern ein hoch anzurechnender Vertrauensvorschuss.
Als Gegenleistung für das entgegengebrachte Vertrauen will das DBHN-Team zu jederzeit Transparenz über die Projekte schaffen – gegenüber dem Land durch kontinuierliche Berichterstattung in den Gremien. Aber auch der steuerzahlenden Bevölkerung fühlt man sich verpflichtet offen Rechnung zu tragen. Das passiert unter anderem über die Kommunikationsplattform ZUKUNFTuniklinik, die über aktuelle Maßnahmen und Herausforderungen aktuell berichtet. „Unser Ziel ist es ja nicht, einfach 2 Milliarden Euro zu verbauen. Das kann jeder, dafür braucht man uns nicht“, macht Landré klar. „Wir wollen für das Geld innovative, modernste Universitätskliniken hinstellen.“
Unser Ziel ist es nicht, einfach 2 Milliarden Euro zu verbauen. Das kann jeder – wir wollen für das Geld innovative, modernste Universitätskliniken hinstellen.“
Mit Begeisterung und Augenmaß gemeinsam erfolgreich sein
Die Begeisterung auf allen Seiten zu fördern, insbesondere auch bei den Mitarbeitenden der MHH und UMG, gehöre zu den kommunikativen Aufgaben der DBHN. „Ob dieses Projekt ein Erfolg wird oder nicht, wird sich letztendlich nicht durch einzelne Personen in den Vorständen und Geschäftsführungen entscheiden, sondern durch die vielen motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und durch eine breite Akzeptanz in der zu versorgenden Bevölkerung.“
Die Unikliniken hätten viel Raum, ihre Ideen einzubringen. Die DBHN würde nur regulierend im Interesse des Landes eingreifen. „Das führt sicher manchmal dazu, dass wir nicht immer beliebt sind, weil wir nicht immer alles toll finden“, betont Landré, „sondern auch mal Ideen und Wünsche nicht erfüllen können, weil dafür kein Geld da ist.“ Dass die Struktur dennoch für alle gewinnbringend ist und in den vergangenen Jahren bereits Früchte getragen hat, zeigt sich am Tempo, mit dem die Bauvorhaben vorangetrieben werden: „Wir haben durch eine Umstellung von Verfahrensstrukturen und Zeitabläufen in beiden Bauvorhaben bereits ambitionierte Zeitpläne faktisch noch einmal um bis zu drei bis fünf Jahre beschleunigt,“ erklärt Landré. Diese Flexibilität hätten man nicht gehabt, wenn die Bauprojekte im Rahmen der Vorgaben für die staatliche Bauverwaltung organisiert gewesen wären.

Burkhard Landré
Als studierter Jurist mit einer Spezialisierung im Verwaltungs- und Vergaberecht, kennt sich Burkhard Landré mit komplexen Verfahrensstrukturen der öffentlichen Hand aus. Der 57-Jährige hat in der Vergangenheit für Beratungsunternehmen gearbeitet und im Bereich der Infrastrukturfinanzierung von Großbauprojekten viele Erfahrungen sammeln können. Eines seiner Beratungsmandate führte ihn auch zum Neubauprojekt der Unikliniken an der MHH und UMG.
Ihn hat im Laufe seiner beruflichen Laufbahn immer die Frage angetrieben, wie man heutzutage Großbauprojekte innovativ, effizient und erfolgreich steuern kann. „Irgendwann bin ich an einen Punkt gekommen, an dem ich die Rolle eines Beraters verlassen wollte, hin zu einer umsetzenden Tätigkeit. Ich wollte nachweisen, dass das, was ich sonst anderen vorgeschlagen habe, auch tatsächlich funktioniert“, erklärt der gebürtige Mainzer seinen Ansporn. Ihm sei es dabei wichtig, beide Aspekte der Dachgesellschaft zu verheiraten – auf der einen Seite im Interesse des Landes zu agieren, was die Wirtschaftlichkeit und Geschwindigkeit betreffen. Dieses Projekt aber auch in einem fördernden wie fordernden Charakter